Analyse des Regierungsprogramms 2025–2030

Der Begriff Baukultur kommt im Regierungsprogramm an 2 Stellen vor: einmal hinsichtlich Erleichterungen für die Revitalisierung historischer Gebäude, um Leerstand zu vermeiden und das baukulturelle Erbe zu erhalten; einmal hinsichtlich „Fortsetzung und Umsetzung“ der baukulturellen Leitlinien zur Belebung der Stadt- und Ortskerne und zur Vernetzung, Beratung und Wissensvermittlung gemeinsam mit Ländern und Gemeinden. Das dringend nötige Baukulturförderprogramm ist nicht einmal angesprochen, insgesamt steht zu dem Thema sogar noch weniger drin als beim letzten Mal 2020 (und das war schon wenig). Architektur taucht nur im Zusammenhang mit Sicherheit oder IT auf. Eine einheitliche Zuständigkeit für Liegenschaften des Bundes im Kulturbereich wird überlegt, das wäre sinnvoll, wenn man es richtig und qualitätsorientiert anlegt. Der Bau eines neuen multifunktionalen Nationalstadions soll geprüft werden.

Wohnen

Das Thema Wohnen nimmt einen prominenten Platz ein, und es gibt erstmals in Österreich ein Ministerium, das das Wohnen im Titel führt. Die Ansätze in diesem Bereich sind nicht schlecht, aber es bräuchte mehr. Die Regierung will die Baukonjunktur mit Fokus auf leistbaren Wohnbau stärken (wie?) und kostentreibende Anforderungen reduzieren, wobei Schutzstandards beibehalten sowie Regeln für das Bauen und Sanieren vereinfacht werden sollen; dazu zählt auch eine Klärung der Begriffe Regeln und Stand der Technik und eine Beschleunigung der Bauverfahren, zweifellos sinnvoll – das meiste davon ist aber Länderkompetenz. Die Wohnbauförderung soll wieder zweckgebunden werden, das war überfällig. Die AWS soll weiterentwickelt werden, um auch leistbares Wohnen zu fördern. Es sollen innovative und neue Baukonzepte ermöglicht werden, was auch immer das bedeuten mag. Hinsichtlich eines generationengerechten Zusammenlebens sollen „Projekte zu gemeinsamem Wohnen“ bundesweit gefördert werden. Eine Studierendenheimförderung soll wiedereingeführt werden.

Eigentumserwerb ist natürlich auch wieder mit dabei – dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen, aber es gibt 2 wichtige Grenzen: Es sollte nicht weiter die ohnehin schon enorme Zahl von 1,5 Mio. Einfamilienhäusern in Österreich gesteigert werden; und Wohnbauförderungsmittel sollten für langfristig leistbare Wohnungen und nicht für privaten Kapitalaufbau eingesetzt werden. Geplant ist ein Wohnbaukreditprogramm für junge Menschen, bei dem unklar ist, wie die Rahmenbedingungen aussehen; und ein Ansparmodell für den gemeinnützigen Wohnbau, das leider wieder öffentliches Geld privatisiert, immerhin freiwillig für die Bauträger. Gut ist es, dass ausfinanzierte gemeinnützige Wohnungen vorrangig für Menschen mit niedrigem Einkommen genützt werden sollen. Die energetische Qualität eines Wohnbaus soll im Sinne eines Bonus-Malus-Systems in die Mietzinsbildung einfließen, Zustimmungserfordernisse für Dekarbonisierungsmaßnahmen sollen erleichtert werden, für die Teilung von Sanierungskosten sollen „faire Lösungen“ gefunden werden. Befristete Mietverträge müssen zukünftig mindestens 5 Jahre laufen, das geht in die richtige Richtung, aber Befristungen müssten stärker eingeschränkt werden. Für die Indexierung von Mieten wird ein eigener Wohnraumindex geschaffen, der bei hoher Inflation unter dem VPI liegt, 2025–27 wird die Indexierung ausgesetzt bzw. begrenzt. Interessant könnte das geplante Gremium für das Wohn- und Immobilienwesen sein, wenn es als entsprechend transparente und demokratische Plattform des Austauschs und der gemeinsamen Entwicklung aufgesetzt wird und nicht hinter verschlossenen Türen agiert. Zur Qualität des (gemeinnützigen) Wohnbaus findet man wenig.

Bestandserhalt und Ortskernbelebung

Ortskerne sollen gestärkt, die Rahmenbedingungen für Bestandserhaltung verbessert werden. Bezüglich Sanierungsförderung sollen bestehende Förderungen „evaluiert und weiterentwickelt“ und eine Sanierungsoffensive „geprüft“ werden. Das wird zu wenig sein, die Sanierungsoffensive ist dringend notwendig, prüfen wird nicht reichen. Im Energiekapitel steht, dass die energetische Sanierung im Gebäudesektor deutlich erhöht werden muss – die Mittel dafür müsste man dann aber auch bereitstellen. Sonderabschreibungen für Bauinvestitionen, v.a. bei Sanierungen, sollen geprüft werden, das wäre überaus sinnvoll. Leerstands- und Verfügbarkeitsdatenbanken sollen geprüft werden, eine Standortoffensive für Gasthäuser und Nahversorger in Städten und Gemeinden ist geplant, zusammen mit einigen weiteren Maßnahmen zur Ortskernstärkung..

Boden

Die Bodenpolitik steht in den Kapiteln Wohnen und Klima-/Umweltschutz, die Raumordnung ist scheinbar weiter im Landwirtschaftsministerium und nicht im Bundeskanzleramt angesiedelt, wo sie früher war und wieder hingehört. Staatliche Unternehmen sollen Liegenschaften nicht mehr ausschließlich profitorientiert verkaufen, sondern für geförderten Wohnbau und soziale Infrastruktur nutzen oder zur Verfügung stellen, wobei Flächenrecycling und Sanierung zu bevorzugen sind. Baurecht soll gegenüber Verkauf bevorzugt werden, das Ganze soll durch gesetzliche Eigentümervorgaben abgesichert werden. Mit den Ländern sollen Gespräche über Umgang mit Boden geführt werden (irgendwann sollte man sich da auf Regeln einigen und nicht immer nur sprechen). Die Regierung bekennt sich weiters zu „regional differenzierten Zielen“ zur Reduktion des Flächenverbrauchs. Das Ziel von max. 2,5 Hektar pro Tag steht nach wie vor drin, die Verbindlichkeit wird offensichtlich nicht angestrebt. Dass man aus dem bundesweiten Flächenmonitoring „gegebenenfalls“ Handlungen ableiten will, ist vermutlich ein Scherz. Allerdings ist die Prüfung der Aufnahme von Bodenverbrauch als Indikator für die Wirkungsziele von Budget- und Förderungsmaßnahmen gut und sinnvoll. Und, man traut sich kaum zu hoffen: Im Finanzausgleichssystem sollen Maßnahmen zur Reduktion des Bodenverbrauchs festgelegt werden. Modelle für Grundstücksbevorratung und Baulandmobilisierung der Gemeinden sollen entwickelt werden, das wäre großartig, wenn es das Budget dafür gibt.

Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft

Die (fehlenden) Maßnahmen für Wohnbausanierung und Bodenschutz wurden bereits angesprochen. Geplant ist die Einhaltung des von der EU vorgegebenen Rahmens (natürlich, der ist ja vorgegeben); weiters eine „schrittweise Ökologisierung klimaschädlicher Subventionen“ und die Schaffung der regulatorischen Rahmenbedingungen für den Ausstieg aus fossilem Gas in der Raumwärme und für Treibhausgasreduktion im Gebäudebereich. Eine „Begrünungsoffensive des öffentlichen Raums“ steht unter ferner liefen, aber das wäre natürlich eine tolle Sache, wenn es dafür genügend Mittel gibt. Geplant ist eine Klimawandelanpassungsstrategie, das Programm der Klimawandel-Anpassungsmodellregionen soll ausgebaut werden. Ein Umsetzungsplan für die Kreislaufwirtschaftsstrategie soll ausgearbeitet werden, Sekundärrohstoffe sollen nicht mehr gegenüber Primärrohstoffen benachteiligt werden. Weiters sind Initiativen geplant, um die heimische Bauwirtschaft zum Vorreiter bei Circular Buildings zu machen – das ist sie derzeit eher nicht; und für öffentliche Bauten soll es einen Fokus auf Holzbau geben. UVP-Verfahren sollen beschleunigt werden. Die S1-Spange soll schnellstmöglich realisiert werden; das weitere Asfinag-Bauprogramm soll hinsichtlich Effektivität geprüft werden. Interessant: Der freie Seezugang soll ausgebaut werden, wie auch immer man das erreichen will.

Vergleich mit den baukulturpolitischen Herausforderungen

Vor der Wahl beschrieben Plattform Baukulturpolitik, Allianz für Substanz, Architekturzentrum Wien und WWF gemeinsam die aktuell größten baukulturpolitischen Herausforderungen. Wenn man das Regierungsprogramm damit vergleicht, ist die Ausbeute eher gering: beim Bodenverbrauch gibt es keine verbindlichen Ziele; bzgl. Bestandserhaltung gibt es viele kleine und ein paar größere Maßnahmen, aber nicht die erforderliche Sanierungsoffensive; beim Wohnbau gibt es einige gute Ansätze, hier müsste mehr für qualitätssichernde Prozesse getan werden; die Baukulturförderung und die Bindung öffentlicher Mittel an baukulturelle Qualitätskriterien fehlen nach wie vor; die Maßnahmen zum öffentlichen Raum sind gering, immerhin spielt Klimawandelanpassung eine Rolle; zur qualitätsorientierten Vergabe ist nichts geplant; zu Bildung und Vermittlung gibt es allgemeine Aussagen zu Kultur in der Bildung; und zum Steuersystem und Finanzausgleich ist einiges Gutes angesprochen, aber noch nicht fixiert.



10.09.2024

Podiumsdiskussion Baukultur im Nationalrat?

Eine Diskussion zu Boden­schutz, Bestands­erhaltung, Baukultur­förderung

Di 10.09.2024, 18:00-20:00
Im Vorfeld der Parlamentswahlen diskutieren Politiker* innen mit Expert*innen zu Boden, Bestand, Baukultur. Diskutieren Sie mit!

Politiker*innen: Lukas Hammer, Grüne; Elke Hanel-Torsch, SPÖ; Johannes Margreiter, Neos; Johannes Schmuckenschlager, ÖVP (angefragt); Philipp Schrangl, FPÖ (angefragt)

Expert*innen: Simon Pories, WWF; Carina Sacher, Allianz für Substanz; Robert Temel, Plattform Baukulturpolitik

Moderation: Franziska Zoidl

Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Architekturzentrum Wien

 

Folder „Österreich ist schön“

Baukulturpolitische Herausforderungen 2024